Die Norfer Sappeure
Beiträge zur Geschichte des Sommerbrauchtums
im Kreis Neuss

Otto König  *)

Die Grenadiermütze


 


Eines der Paradebeispiele für der Stammesentwicklung, analoge Wandlungsvorgänge im Uniformbereich bietet jedoch die Geschichte der Grenadiermütze.

Als die Handgranate erfunden wurde und somit auch der Handgranatenwerfer, der" Grenadier", in Aktion trat, erwies sich der breite Schlapphut bei der weit ausholenden Wurfbewegung als recht hinderlich. Die Grenadiere nahmen daher im Gefecht ihre Hüte ab, hängten sie an die Patronentaschen und setzten die damals ohnedies zur Soldatenausrüstung gehörenden Zipfelmützen auf den Kopf, denn es galt ja, die langen Haare beziehungsweise die Schläfenlocken zusammenzuhalten, damit sie an der brennenden Lunte der Granate nicht Feuer fingen.
Anfangs durfte die Zipfelmütze von den Grenadieren nur während des Gefechtes getragen werden, doch war nicht zu verhindern, dass diese Elitesoldaten ihre Position gerade im täglichen Leben auch äußerlich zur Geltung bringen wollten, verlangte doch schon die militärische Dienstvorschrift von ihnen ein besonders martialisches Aussehen:

» Ein Grenadier muss nicht weibisch aussehen, sondern furchtbar, von schwarzbraunem Angesicht, schwarzen Haaren, mit einem starken Knebelbart, nicht leicht lachen oder freundlich tun. «

Die Zipfelmütze aber war im Grund genommen keine Kopfbedeckung, die dieses Aussehen zu heben vermochte. Alsbald erhielten die Grenadiere dekorative Blechschilde oder Pelzverbrämungen daran befestigt, gelegentlich auch beides. Bei den preußisch-friderizianischen Grenadiermützen wurde der Zipfel mit der Quaste auf einen stark überhöhten Blechschild hochgespannt. Die österreichische, wie auch viele andere Armeen, so etwa die Spanier, ließen die Zipfelmütze aus den hoch aufgebauten Pelzverbrämungen als reich verzierten Beutel heraushängen. Bei den Franzosen und Dänen wieder reduzierte sich der Mützenbeutel auf einen kleinen, flachen Tuchkreis im Mützendach. Die gegenwärtigen Fellmützen der englischen Königsgarden sind wohl französischen Ursprungs und zeigen überhaupt keine Stoffteile mehr. In den verschiedenen Staaten wurden Felle von schwarzen Bären, Ziegen und Hunden verwendet, die als besonders langhaarig und zottig die Imponieraufgabe am besten erfüllten. Der Mützenstoff war meist mit bunter Verzierung in Truppenfarbe gehalten, das Blech aus Messing.

Die Zipfelmütze, Ausgangspunkt für diese speziellen Neuschöpfungen, ist eine der ältesten Kopfbedeckungen überhaupt. In ihrer kroatischen, mit aufschlagbarem Rand versehenen und mit Wolfs- oder Fuchspelz besetzten Version wurde sie zur Ausgangsform für den Husarenkolpak. Die Ulanentschapka, die Kosakenmütze, das französische Kepi und die ehemalige belgische Lagermütze mit der Quaste am vorderen hochgezogenen Ende stammen ebenfalls von der Zipfelmütze ab. Quaste oder Kreuzornament auf den Dächern von Kopfbedeckungen sind Relikte, die auf Abstammung von der ursprünglichen, aus vier Teilen zusammengenähten Tuchzipfelmütze sehr deutlich hinweisen.

Trug der Grenadier anfangs noch den alten Hut bei Paraden und zum Garnisonsdienst, während die eigentliche, stolz hochgezogene Grenadiermütze nur zur Schlacht aufgesetzt wurde, so änderte sich dies sehr bald, weil der Grenadier seinen besonderen Status eben auch möglichst deutlich hervorgehoben sehen wollte. Als infolgedessen das Tragen der Grenadiermütze auch für gewöhnlichen Dienst angeordnet wurde, entstand jedoch eine Schwierigkeit. Der Grenadier konnte nicht wie andere Soldaten mit ihren leichten Dreispitzhüten zum vorschriftsmäßigen Gruß die Kopfbedeckung abnehmen, war doch seine schwere Mütze mit einem Kinnriemen festgeschnallt. Es kam daher die Weisung, dass Grenadiere nicht durch Abnehmen, sondern nur durch ein symbolisches Anlegen der rechten Hand an ihre Mütze grüßen sollten, während die übrigen Truppen noch immer durch das althergebrachte Hutabnehmen grüßten. Um die Einheitlichkeit wieder herzustellen, wurde dann aber der »Grenadiergruß« allgemein eingeführt. So entstand das militärische Salutieren, das weiter bestehen blieb, als die Grenadiermütze wegen Hinderlichkeit beim Vordringen durch Gebüsch und Wald abgeschafft wurde. In einigen Armeen ist es sogar allgemein üblich, auch ohne Kopfbedeckung zu salutieren.

Aus: Das Bilderlexikon der Uniformen. Von 1700 bis zur Gegenwart. München: 1978

 

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