Die Norfer Sappeure
Beiträge zur Geschichte des Sommerbrauchtums
im Kreis Neuss

Harald Knaup, Uwe Knaup, Wilhelm J. Offer

Chronik des Sappeurkorps Norf 1923


 

Das Jahr 1923 wird in den meisten Geschichtsbüchern als das extremste Krisenjahr der damals noch jungen Weimarer Republik bezeichnet. Eine Schilderung aller in diesem schicksalhaften Jahr stattfindenden Ereignisse würde den Rahmen dieser Chronik sprengen. Schließlich soll dies eine Chronik des Sappeurkorps sein und kein Geschichtsbuch. Wir wollen jedoch auf einige wenige, für die spätere Geschichte Deutschlands folgenreiche Geschehnisse eingehen.

Die Inflation grassiert im Land. Auch aufgrund der Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen - Deutschland war mit den Reparationszahlungen des ersten Weltkrieges im Rückstand und sollte so zur Vernunft gebracht werden - galoppiert sie in immer höherem Tempo. Da ein Liter Milch bisweilen 360 Milliarden Mark kostete und ein Ende des Preissturzes nicht abzusehen war, erschienen die Menschen zum wöchentlichen Zahltag mit Waschkörben, um dann mit den gefüllten Körben so schnell wie möglich in den nächsten Geschäften Nahrung und Kleidung zu erstehen, bevor der Lohn wertlos wurde. Man schätzt zu diesem Zeitpunkt den Bargeldumlauf auf
400.338.326.350.700.000.000,00 Mark.

Die widrigen Umstände des Jahres 1923 ließen die Menschen das Vertrauen in die demokratischen Institutionen verlieren, so daß die Nationalsozialisten immer mehr Nährboden für ihre falschen Ideale fanden. Nach einem gescheiterten Putschversuch, unter dem damals noch relativ unbekannten Adolf Hitler, wurde dieser verhaftet und zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde jedoch nach sechs Monaten wieder auf Bewährung entlassen. Wäre dieses Urteil anders ausgefallen, wäre Deutschland und der Welt vielleicht manches Unheil erspart geblieben.

Auch weniger schwerwiegende Ereignisse prägten das Jahr 1923:

Der HSV wird mit 3 : 1 gegen Union Schönweide Deutscher Fußballmeister

Die Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften wird von 15 auf 30 Stundenkilometer erhöht

Auf Beschluss des Verbandes der deutschen Blumengeschäftsinhaber wird nach amerikanischem Vorbild zum ersten Mal der Muttertag begangen.

Die Arbeitszeit für Beamte wird auf 54 Wochenstunden und die für Montanarbeiter auf 59 Wochenstunden erhöht

Das Zeitgeschehen des Jahres 1923 wird aber auch von einem weltgeschichtlich weniger, für Norf jedoch höchst interessanten Ereignis bestimmt:

Einige junge Männer, dar unter Alex Krieger (der spätere Ehrenoberst), Hubert Veiser, Heinrich Förster, Anton Ingmann, Johann Knopp, Anton Kemper, Heinrich Rosellen, Anton Kirchhoff, Rudi Gottwald, Hubert Phillips und Michael Steinfort gründen in ihrem Heimatort Norf zur Freude des Schützenregimentes ein Sappeurkorps.

Aus den ersten Jahren des Korps sind kaum noch Informationen überliefert, bekannt ist jedoch, daß die Sappeure schon vor dem zweiten Weltkrieg zwei Schützenkönige stellten: Hubert Veiser (1929/ 30) und Anton Ingmann (1932/33). In den Wirren des zweiten Weltkrieges gingen leider nahezu alle Dokumente verloren. Einige Photos aus dieser Zeit konnten aber gerettet werden.

Doch auch der Krieg konnte die Begeisterung für das blau-weiße Korps nicht stoppen, so daß bereits kurz nach dieser Zwangspause wieder Sappeure zum Bild des Norfer Schützenregimentes gehörten. Die Tatsache, daß bereits zu Beginn der 50er Jahre wieder Schützenkönige aus den Reihen der Sappeure zu verzeichnen waren, zeigt, daß das Engagement für das Schützenwesen ungebrochen war.

Unter der Führung von Johann Steinfort entwickelten sich die Sappeure wieder zu einem stattlichen Korps.

Johann Steinfort war es auch, der als erster Sappeur nach dem zweiten Weltkrieg 1951 die Königswürde der St. Andreas Schützenbruderschaft erringen konnte. Wie in vielen alteingesessenen Norfer Familien setzte sich auch in der Familie Steinfort die traditionelle Verbundenheit zum Schützenwesen bis heute fort.

Der nächste Schützenkönig aus dem Sappeurkorps, Josef Stammen (1955/56) kam 1952, nach der Hochzeit mit Anni Steinfort, der Tochter des damaligen Korpsführers Johann Steinfort, zum Korps. Auch damals gab es schon Sponsoring: Das erste Schützenfest 1952 wurde den beiden mit 20,00 DM von einer Tante mitfinanziert.

Wie eng verbunden die Sappeure schon damals mit den Idealen der Schützenbruderschaften - Glaube, Sitte, Heimat -waren, zeigt folgende Begebenheit: Um nach guter, alter Sitte Schützenfest feiern zu können, durfte schon damals das nötige Kleingeld nicht fehlen. Von einem Mitglied ist bekannt, daß er, um nicht auf den Notgroschen zurückgreifen zu müssen, wann immer es ging, ohne daß die Ehefrau etwas davon erfuhr, ein wenig Geld abgezweigte. Dieses Geld wurde dann, bis zum Schützenfest, hinter dem Kruzifix in der guten Stube versteckt.

Anfang der 60er Jahre übernahm dann Josef Stammen die Korpsführung von seinem Schwiegervater Johann Steinfort.

Die erste Hälfte der 60er Jahre, geprägt durch den kalten Krieg und den Mauerbau zwischen den beiden deutschen Staaten, brachte die Sappeure zu dem Motto für einen Fackelbau : "Keinem wird es je gelingen, alle unter einen Hut zu bringen." 


In einer Familie, in der schon Urgroßvater, Großvater, Vater und zwei Onkel Sappeure waren, ist es wohl kaum verwunderlich, daß auch die nachwachsende Generation Ambitionen hatte, es ihren Vorfahren gleich zu tun. Wilhelm Josef Offer, der Urenkel von Anton Ingmann, einem der Mitbegründer des Sappeurkorps, marschierte zum Schützenfest 1969, zusammen mit seinem Freund Hansi Uhli, das erste Mal bei den Sappeuren mit. Kurz nach diesem Schützenfest, im Oktober 1969, gründete er mit einigen Mitschülern und Freunden den ersten Sappeur Jungzug in Norf, der im Jahr 1970 zum ersten Mal zum Schützenfest aufmarschierte.

Im gleichen Jahr wurde der damalige Korpsführer, Toni Steinfort, vom Regimentsoberst Herbert Homann zum Major befördert.

Der erste Sappeur-Schützenkönig, mit dem der Jungzug zusammen feiern konnte, war im Jahr 1973/74 Heinz Pfeiffer.

Da niemand ewig Teenager bleibt, setzte auch in diesem Zug, bedingt durch Ausbildung, Interessenverlagerung oder 
Ortswechsel die normale Fluktuation ein, die in jedem Verein für ständige Veränderungen sorgt.

Auf Grund eines zeitweiligen Personalmangels kam es im Jahre 1974 zu einem Zusammenschluss des damaligen Jungzuges und des Pionierzuges, der "reiferen Garde", zum Sappeurzug Norf. In diese Zeit fällt auch der Wechsel in der Korpsführung: Richard Wendling löste 1976 Toni Steinfort ab. Diese Vereinigung der beiden Züge tat zwar der Geselligkeit keinen Abbruch, aber zu große Altersunterschiede und unterschiedliche Interessen brachten doch das eine oder andere Problem mit sich.

So wurde im Jahre 1978 der aufkommende Gedanke, wieder zwei sich selbst verwaltende Züge zu bilden, in die Tat umgesetzt.
Zehn Jahre nach der Gründung des ehemaligen Jungzuges setzte sich der Generationswechsel auch in der Führung des Korps fort. Bemd Schubert übernahm als Major -bis zum heutigen Tag- die Verantwortung für das Korps.

Wie auf Korpsebene gab es auch in der Bruderschaft einen Anreiz für die nachgewachsene Generation. Hans-Peter Ganske, der heutige Adjutant des Sappeurmajors und Geschäftsführer der Bruderschaft, wurde 1982 Schützenkönig in Norf.

Schon zwei Jahre später konnten die Sappeure wieder einen Schützenkönig aus ihrer Mitte stellen. Der leider viel zu früh verstorbene Rudi Leiser, Vereinswirt des Sappeurzuges, schoss den Vogel herunter.

Nachwuchsprobleme gab es bei den Sappeuren eigentlich nie. So schien, zu Beginn der 90er Jahre, der Gründung eines neuen Sappeur Jungzuges nichts im Weg zu stehen. Es begann jedoch mit einem Missverständnis.

Carsten Ortmann war froh, daß ihm auf seine Initiative hin mehrere Interessenten genannt wurden. Peter Offer, Sappeur seit den 50er Jahren, erzählte ihm, daß sein Enkel und dessen Freund auch gerne Sappeur werden würden. Von Wilhelm Josef Offer hörte er, daß einer seiner Neffen und dessen Freund ebenfalls Ambitionen dazu hätten. Leider waren Carsten die Familienverhältnisse innerhalb des Korps aber nicht bekannt und so ging er von falschen Voraussetzungen aus. Statt der erwarteten fünf Personen erschienen zum ersten Treffen nur drei, da natürlich beide Informanten die gleichen Personen genannt hatten.

 Es wurde also weitergesucht und im Jahr 1991 konnte dann die offizielle Gründung des Zuges "Blaue Röck" gefeiert werden.

Der erste Sappeur-Schützenkönig, der somit von drei Zügen unterstützt wurde, war dann im Jahre 1993/1994 Peter Lütjens.

In den 75 Jahren des Bestehens des Korps konnten acht Mitglieder der Sappeure die Schützenkönigswürde erringen. Darüber hinaus sind die Sappeure jedoch allen Schützenkönigen der Bruderschaft verpflichtet, sind sie doch das Wachbataillon des Regiments. Die Aufgaben beschränken sich aber nicht nur auf das Stellen der Wache vor der Residenz und auf der Bühne beim Krönungsabend, vielmehr gehört auch der Bau und die Instandhaltung der Wachhäuser dazu. Die Sappeure können sich bei all ihren Aktivitäten der Unterstützung aller, natürlich auch der ihrer "besseren Hälften", sicher sein. Ohne die Frauen wäre ein intaktes Vereinsleben über einen Zeitraum von 75 Jahren sicherlich nicht möglich gewesen. Weihnachtsfeiern, Krönungen, Ausflüge, Schützenfeste und nicht zuletzt dieses Jubiläum finden einen gelungenen Abschluss nur Dank ihrer Mithilfe.

Die Pflege des Brauchtums, Gemeinschaftssinn, Geselligkeit und das füreinander Eintreten sollten an erster Stelle stehen. Die Sappeure haben sich in der Vergangenheit immer bemüht, diesen Grundgedanken gerecht zu werden, und werden es auch in der Zukunft so halten.


 

zurückweiter

 

 

Home       Inhaltsverzeichnis