Irland 1999

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Unsere Irland-Tagebücher

14.05.1999 - 12.06.1999

Tagebuch

von Konni Offer

2. Woche  (22.05. - 28.05.1999)


Samstag, 22.05.1999

 Wir schliefen tief und fest. Selbst das Klappern der Badezimmertür störte uns nicht sonderlich. Der Morgen hatte recht sonnig begonnen, aber das war leider nicht von Dauer. So zogen wir uns nach dem Zwiebelprinzip an - T-Shirt, Hemd, Sweatshirt und Pullover. 
 Wir starteten und an der ersten Schleuse (Killarcan Lock Nr. 16) durch den Kanal fand sich bald der Schleusenwärter ein, der uns eine Einweisung in die Bedienung der Schleusen geben wollte. Als er hörte, dass wir die Tour durch den Shannon-Erne-Waterway schon mal gemacht hatten, beschränkte er sich in seinen Erklärungen auf ein Minimum. Es ist wirklich nicht schwierig mit den Terminals umzugehen. Die Schleusen im Shannon-Erne-Waterway sind kostenpflichtig und werden über eine spezielle Chipcard abgerechnet und bedient.
 Der Wind pfiff stark und ungemütlich. Auch die nächsten Schleusen passierten wir ohne Probleme und ich machte mich als Schleusenwärter ganz gut. Es lief alles wie am Schnürchen und wenn sich nicht unsere Mägen gemeldet hätten, hätten wir total die Zeit vergessen. 
 So gab es gegen Mittag in Keshcarrigan Frühstück - dafür aber reichlich. Für die Nacht wollten wir hier aber nicht bleiben. Es war zu windig vom See her und unser Boot ging wie ein Lämmerschwanz. Also fuhren wir weiter nach Ballinamore und fanden im alten Hafenbecken einen tollen Platz. 
 Unser Telefonakku gab so langsam seinen Geist auf, ein guter Grund mal in den Pub zu gehen. Wir fanden auch einen sehr schönen alten Pub. Die Bar war handgeschnitzt und es gab jede Menge gemütlicher Sofas. Wir durften unsere Akkus aufladen und Wilhelm wollte ein Pintglas kaufen. An Bord gab es nur kleine Gläser, in die keine Dose Guinness Draft passte. Der Wirt kam gleich mit vier Gläsern an und schenkte sie uns. Anstatt der Bezahlung der Gläser machten wir eine Spende für das hiesige Krebskrankenhaus. 
 Nach dem Abendessen lockte Wilhelm noch etwas die Fische und ich "verzapfte" diese Zeilen. So hatten wir heute schon eine große Strecke geschafft und waren denen, die  Samstag starteten, voraus gefahren. Morgen hatten wir noch fünf Schleusen vor uns und dann war damit erst mal Schluss.


Sonntag, 23.05.1999

 Gestärkt von leckerem Brown Bread und einer Tasse Kaffee setzten wir nach neun Uhr unsere Bootstour fort. 
 An der Schleuse Nr. 5, Lock Ardrum, zeigte die Ampel nichts an und auch die Schleusenkarte reagierte nicht. Wilhelm drückte den Knopf für die Zentrale. Anscheinend hatte der Schleusenservice noch nicht gemerkt, dass die Schleuse noch nicht freigegeben war. Kurz darauf funktionierte es. 
 Während unserer Fahrt vorbei an Ballyconnell und Haughtons Shore wurde das Wetter immer schlechter. Der "Drizzle" ging in stärkeren Regen über und weichte uns beim Schleusen auf. Trotzdem genossen wir die Fahrt vorbei an Weiden mit süßen Kälbchen und riesigen Wiesen mit Butterblumen. 
 Dann hatten wir endlich die Schleuse Nr. 1, Corraquill Lock, hinter uns und wir legten in Aghalane an. Morgen konnten wir es etwas geruhsamer angehen lassen, denn schließlich hatten wir viel Zeit. Vielleicht hat Petrus ja auch ein Einsehen mit uns. Er braucht uns nicht gerade die Hitzewelle zu schicken, aber ab und zu ein wenig Sonne wäre nicht schlecht.


Montag, 24.05.1999

 Der Wind hatte wieder aufgefrischt, aber die Sonne ließ sich immer wieder sehen. 
Leinen los, und ab ging's Richtung Belturbet. Hier am Anleger war es so windig, dass unser Boot immer wieder abgetrieben wurde. In der Marina von Emerald Star Line holte Wilhelm einen Wetterbericht. Der hörte sich immer gleich an: "Some sunny spells, a bit of drizzle and some showers with wind". 
 Zum Einkaufen fuhren wir mit dem Dinghy ans gegenüberliegende Ufer, damit wir nicht so weit zu laufen hatten. Pfingstmontag war in Irland kein Feiertag, denn alle Geschäfte hatten geöffnet. Kurz vorm Boot, bei unserer Rückkehr, erwischte uns dann die nächste Regenschauer. 
 Wir legten ab und die Sonne erschien wieder. So wechselte es x-mal hin und her, Sonnenbrille auf, Sonnenbrille ab, Dach auf, Dach zu, Scheibenwischer an, Scheibenwischer aus. Richtig irisches Wetter. 
 Vor Geaglum meinte Wilhelm noch, hier könne man sehr gut ohne Wasserkarte fahren, und schwups, waren wir in der falschen Bucht. Die Rückfahrt nutzte er zum Schleppen, bis wir wieder in der korrekten Richtung unterwegs waren. Am Anleger in Tirraroe sah es auch sehr wellig und schaukelig aus, so beschlossen wir weiter zu fahren. 
 Wir fuhren und fuhren und hatten schließlich das Ardhowen Arts Centre vor uns. Dort machten wir am Anleger fest und sagten uns auch heute, dass wir morgen nicht so lange Strecken fahren werden. We will see. 
 Wilhelm lockte die Barsche und ich schnappte mir ein Buch. In den Bäumen hinter uns stimmte ein Vogel ein tolles Liedchen an. Nach einer Partie Backgammon ließen wir den Abend ausklingen, friedlich und geruhsam.


Dienstag, 25.05.1999

 Unser Aufstehrhythmus schien sich allmorgendlich zu wiederholen. Wilhelm machte ganz früh den Anfang und ich zockelte später hinterher. Nach einem "trockenen" Frühstück verließen wir Ardhowen und fuhren nach Enniskillen. 
 Wir wunderten uns, wie wenig Boote unterwegs waren. An dem Riesensteg am Schwimmbad in Enniskillen lagen nur drei Boote. Wir schnappten uns unseren Rucksack und marschierten in die Stadt. Recht fix hatten wir alles "Lebensnotwendige" zusammen, Geld, Bier, Briefmarken, die  Angelerlaubnis, ein paar Lebensmittel, einen Angelstuhl und Postkarten (Schade, die müssen wir ja auch noch schreiben). Mit einem kurzen Stopp am Angelgeschäft, zur Versorgung mit Ködern, fuhren wir Richtung Schleuse, die allerdings fast immer offen steht. Es war nicht mehr so kalt, aber der Wind blies noch recht kräftig. 
 An Devinish Island vorbei fuhren wir zum Anleger Hay Island, gegenüber der Manor House Marine. Auch hier waren wir allein. Auf der Insel sahen wir einen Schwan auf einem riesigen Nest sitzen. Vater Schwan kam zur Wachablösung angeschwommen, vorher vergewisserte er sich aber, ob es bei uns nicht doch etwas zu fressen gibt. 
 Heute hatten wir vor, Mittagsschlaf zu machen. Schließlich hatten wir Urlaub. Wir schliefen sofort ein. Durch ein kräftiges Brummen und Stimmen wurden wir geweckt. Es hatte ein Boot mit Iren angelegt und über uns flog in knapper Höhe über dem Wasser ein Hubschrauber. Man konnte fast die Augenfarbe des Piloten erkennen. Die Iren versuchten ihren Kindern Wasserski beizubringen, gaben es aber bald auf. Sie fuhren weiter und so hatten wir den Steg wieder für uns. 
 Nach dem Abendessen gab's noch eine Runde Backgammon und wir sprangen unter die Minidusche. So hatten wir dort auch in einem Generalreinigung gemacht; zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wir legten uns in die Kojen und die Wellen von einem vorbeifahrenden Privatboot mit Positionslampen schaukelte uns in den Schlaf.


Mittwoch, 26.05.1999

 Auch heute morgen sah das Wetter nicht so verheißungsvoll aus. Nach einem "kleinen" Frühstück machten wir uns auf nach Castle Archdale. Um die Inseln herum hielten sich die Wellen in Grenzen, auf den freien Flächen schaukelte es etwas mehr. Wir machten einen Stopp zum Wassertanken, für einen Spaziergang war es uns aber zu nass. 
 Dann ging's weiter nach Kesh. Auf dem offenen See kreuzten wir hin und her damit es nicht zu sehr schaukelte. Gegen Mittag kamen wir dann endlich an. Seit dem letzten Mal hatte sich einiges verändert, den Anleger hatte man umgebaut zu einem langen Schwimmsteg. Bei einer Tasse Tee warteten wir auf das Ende einer Regenschauer und gingen danach in den Ort. 
 Das neue Take-Away - auch zum Sitzen - war sehr zu empfehlen. Direkt angeschlossen eine gute Bäckerei, in der wir uns mit Scones versorgten. Draußen regnete es schon wieder. Zurück zum Boot ließ sich dann aber die Sonne blicken. 
 Wilhelm nutzte die Gelegenheit und setzte sich mit seinem neu errungenen Angelstuhl nach draußen. Ich hatte auch endlich die richtige Urlaubslektüre gefunden: Maeve Binchy, Ein Haus in Irland. Wir hatten es in den irischen Buchläden überall gesehen, im Originaltitel "Tara Road". Diesen fand ich viel treffender als den deutschen Titel. 
 Zum Nachmittag hin wurde das Wetter richtig verheißungsvoll und man konnte sich sogar an Deck setzen. Bei Wilhelm bissen die Barsche in allen Größen. Er war zeitweise richtig im "Angelstress". 
 Nach einer guten Portion Nudeln mit Soße kam unser Backgammonkoffer wieder zum Einsatz und nach zwei Partien fielen uns allmählich schon wieder die Augen zu. Also ab in die Koje und schlafen.


Donnerstag, 27.05.1999

 Nach einem barmherzigen Tässchen Kaffee und einer Schnitte verließen wir Kesh. Der See war, im Gegensatz zu gestern, recht ruhig, aber es war sehr dunstig. 
 Gegen Mittag erreichten wir den Anleger von Belleek. Wir stapften in die Stadt. Der Geldautomat an der Bank wollte leider meine Karte nicht, aber wir hatten noch etwas Bares. 
 Im Cafe, das auch ein Angelgeschäft ist, kaufte Wilhelm einen neuen Hakenlöser. Im Supermarkt stockten wir unsere Vorräte auf und gingen dann zum Boot zurück. Wilhelm marschierte mit seiner EC-Karte nochmals in den Ort, aber auch die wollte der Automat nicht. "Aus Frust" trank er sich im Pub ein Bier und unterhielt sich dort ausgiebig mit einem älteren Mann. Wir riefen kurz zu Hause an -ein Patenkind hatte Geburtstag- um zu gratulieren. Bei uns war es wohl sehr heiß, wie man uns sagte. Heute war aber auch hier in Irland der erste Tag mit T-Shirt-Wetter. Das Thermometer zeigte stolze 20 Grad und zeitweise sogar noch etwas mehr. 
 Wir hatten nicht vor, in Belleek zu übernachten und starteten wieder. Auf dem Weg zum See sahen wir etliche Angelboote. Ein Mietboot überholte uns, während Wilhelm an den kleinen Booten das Gas zurück nahm. Die "Raser" waren sich aber keiner Schuld bewusst. 
 In Rosscor wollten wir eigentlich übernachten, aber der Steg sah nicht sehr Vertrauen erweckend aus.  So beschlossen wir, doch heute schon nach Castlecaldwell zu fahren. Der See war total glatt, obwohl etwas Wind ging. Ein echtes Phänomen. 
 Auch in der Bucht vor Castlecaldwell angelten jede Menge Fischer in ihren kleinen Booten. Auf der Zufahrt zum Anleger gab jenes besagte Boot wieder voll Stoff, damit sie ja vor uns ankamen. Wir fanden aber ohne Probleme Platz. Deren ganze Anstrengung war umsonst gewesen. Wilhelm packte sich ein paar Sachen zusammen und fuhr mit dem Dinghy los. Derweil machte ich mich ans Kartenschreiben. Ich war fast fertig als er zurück kam. 
 Oben am Anleger stand ein Picknicktisch und Wilhelm hatte schon eine geraume Zeit drei Angler beobachtet, die dort einen großen Eimer mit Fischen filetierten. Wir wollten uns gerade zum Essen setzen, als es draußen Tumult gab. Wir sahen wie einer der anderen Bootsfahrer einem von den Dreien einen Eimer abnehmen wollte. Dabei rutschte dieser unglücklicherweise aus und fiel in den See. Er kam an Land, es gab ein Wortgefecht und er ging zum Tisch und holte sein Filetiermesser. Der andere setzte sich natürlich in Anbetracht des Messers zur Wehr und zog seinem Gegenüber eins mit dem Besenstiel über den Kopf. Er drohte, die Polizei zu rufen und machte dies wohl auch wahr. Als diese eintraf, waren die drei Angler aber schon weg. Es stellte sich im nachhinein heraus, dass der Mann vom Boot die drei schon mehrfach beobachtet hatte. Sie kamen jeden Tag mit einer Masse Fische hier her und kippten anschließend die Abfälle ins Wasser. Daran wollte er sie nur hindern, aber leider fiel der andere dabei ins Wasser. Die Polizei hörte sich alles an und fuhr dann wieder ab. So hatten wir unfreiwilligerweise Kino ohne Geld.


Freitag, 28.05.1999

 Beim Aufwachen hörten wir schon, dass es regnete und wir drehten uns noch mal um. Wir ließen alles langsam angehen und nach einem gemütlichen Frühstück machten wir uns auf die Socken. 
 Der See war spiegelglatt und es war trotz des Regens mild. Unterwegs überfielen uns Tausende von kleinen, grünen Insekten. Wir fuhren zur Erincurragh Marina und tankten Wasser. In einem wurden die ganzen "Leichen" von Deck gespült. Wir stoppten in Carrickreagh und drei Schweizer halfen uns beim Anlegen. Wilhelm rutschte auf dem glatten Steg aus und fiel auf's Knie; ich tat es ihm im Boot gleich und plumpste die Treppe runter. Aber bis auf ein paar blaue Flecken war keiner von uns Beiden ernstlich verletzt. Hoffentlich bleibt das auch so! 
 Wilhelm rief zu Hause an, um sich nach Freunden zu erkundigen, die morgen nach Irland kommen. Sie starten wohl in Knockninny, wollten aber am selben Tag noch nach Enniskillen fahren. Dort wollten wir auch hin. Mal sehen ob wir Schmitz & Co treffen. 
 Der Wind briste auf und schaukelte uns gut durch. Ein kleines Boot mit Iren kam noch an, ein Vater mit seinen beiden Jungs. Sie packten ihre Angeln aus und versuchten es vom Steg aus. Wilhelm fischte auch und sobald er einen am Haken hatte, holten die beiden Kinder ein und liefen zu derselben Stelle, wo Wilhelm den Fisch gefangen hatte. Der kleinere von den Beiden angelte mit dicken Würmern. Als er dann den sechsten Barsch mit dem selben Wurm geangelt hatte, meinte er: "This is a record breaking worm". Der Größere benutzte Maden und kurze Zeit später fiel ihm die Rolle in den Teich. Aber an der Schnur fischte er sie wieder raus. Die Beiden waren sehr dünn angezogen und vom Regen klatschenass. Aber nach Hause wollten sie noch nicht. Schließlich setzte Vater sich durch und es ging ab nach Hause. 
 Beim Backgammon und irischer Musik ließen wir den Abend ausklingen und gingen dann schlafen.

 


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Musik mit freundlicher Genehmigung von Desert Awakening!


Musiktitel: Bottom (Copyright by Desert Awakening)

 

 

 

 

Schleusenwärterin Konni

 

 

 

 

abends am Fluss

 

 

 

Wolkenspiele

 

Butterblumen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anglerstress

 

 

 

 

 

 

 

Devinish Island im Lower Lough Erne

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abendstimmung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Angler am River Erne

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bankmooring im River Erne

 

 

 

zu den weiteren Tagebüchern:

1980

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1995

2001