14.05.1999 - 12.06.1999
Tagebuch
von Konni Offer
4. Woche (05.06. - 12.06.1999)
Samstag, 05.06.1999
Ich stand heute sehr spät auf, erst gegen neun Uhr. Wilhelm war mit dem Dinghy unterwegs und
kurz nachdem ich aufgestanden war, kam er auch wieder zurück. Er hatte zwar einen Eisvogel gesehen,
aber der erwünschte Hecht blieb aus. Der Himmel zeigte viel Blau und es war auch recht warm, obwohl
es letzte Nacht nur 5°C gewesen waren.
Wir wollten gerade eine Tasse Kaffee trinken, als die Schleusentore
aufgingen.
Es wurde beschlossen sofort abzulegen, um mit runter zu schleusen. Diesmal ging es sogar ohne Regen
ab und der Himmel versprach nichts
Schlechtes.
Einen Großteil der Strecke nach Lanesborough wurde wieder mal auf Hechte geschleppt. Aber auch
dieses Mal blieben sie aus. Im Hafenbecken
von Lanesborough fanden wir einen schönen Liegeplatz und wir richteten uns einen Brunch. Es schmeckte
wie immer hervorragend. Danach gingen wir zum Einkaufen und versorgten uns mit Lebensmitteln. Montag
war Bankholiday und man konnte nicht wissen, ob dann die Geschäfte geöffnet hätten. Der Metzger meinte
zu uns, dass heute ein schöner Tag sei, um über den See zu fahren. Und eine Anlegestelle - Hodson's Bay -
empfahl er uns auch. Doch wir hatten andere Pläne.
Die Sonne brannte mittlerweile ganz kräftig. Also musste das Spülgeschirr warten und ich setzte
mich nach draußen. Wilhelm hatte noch ein paar Angelutensilien eingekauft und als er zurückkam, lag die
Dunboyne, unser Boot von 1980, am Anleger. Wilhelm sprach den Besitzer
darauf an, dass dies unser erstes Boot auf dem Shannon gewesen sei. Der jetzige Eigner meinte darauf,
dass er das Gefühl hätte, dass jeder zweite Shannonfahrer schon mal auf seinem Boot übernachtet hätte.
Er würde sehr oft darauf angesprochen. Er gab uns auch die Information, dass
Brian Cullen die Derg Line verkauft hat und die Marina jetzt einen anderen Namen trägt. Wir hatten uns
schon gewundert, dass wir bisher noch kein ockerfarbenes Boot der Derg Line gesehen hatten.
Wilhelm packte seine Angelsachen und ging zum Warmwasserauslauf des Kraftwerks auf der
gegenüberliegenden Seite. Er wollte dort sein Glück versuchen. Ich setzte mich derweil ins Sönnchen
und vertiefte mich in mein Buch. Die Gelegenheit, sich zu sonnen, musste genutzt werden, so lange sie
sich bot. Für's Spülen war auch später noch Zeit.
Wilhelm brachte von seinem Angelausflug fünf schöne Barsche mit,
die er dann filetierte. Wenn's schon keinen Hecht gibt, so soll es morgen wenigsten
Barschfilet in Wein-Sahne-Soße geben.
Heute verspeisten wir zunächst die restlichen Steakstücke mit Knoblauch-Blattspinat
und konnten danach wieder die Küche komplett abwaschen. Das schöne Wetter war inzwischen vorbei und es
regnete mal wieder. Aber das störte uns beim Backgammon nicht sonderlich.
Sonntag, 06.06.1999
Wir schliefen beide bis in die Puppen.
Über Nacht war es sehr windig geworden und wir änderten unseren Plan,
ein Stück auf den Lough Ree zu fahren. Nach dem Frühstück machten wir
uns also auf in die Kilglass Seen, um dort zwei Tage zu verbringen.
Dieses Jahr wollten wir das erste Mal durch den Camlin River
fahren. Vor der Cloondara Lock lag ein irisches Boot mit zwei Männern
und einer Frau an Bord. Sie boten uns sofort an, neben ihnen anzulegen
bis die Schleuse öffnen würde. Der junge Schleusenwärter hatte noch
richtig Arbeit mit der alten Schleuse. Hier gab es noch keine
hydraulischen Sluices und auch das Tor musste mit der Hand geöffnet
werden. Richtig romantisch! Aber die Iren meinten dann, dass er
richtiggehend Stress hätte: zwei Boote innerhalb einer Stunde. Zu
meinen grünen Turnschuhen gab es dann noch den Kommentar: sehr schön
irisch. Die drei waren aus Dublin und hatten in der Nähe der Albert
Lock ihr Boot liegen, wenn sie nicht damit unterwegs waren. Wir
erzählten uns einige Stories über die Schleusenwärter. Der vorherige Lockkeeper
an der Termonbarry Lock hatte seinen Job aufgeben müssen,
weil er sehr krank war. Im letzten Jahr war ja schon ein Neuer da
gewesen. Auch über Tony, den "Clown" von der Roosky Lock,
wurde herzhaft gelacht. Er würde sich manchmal aufführen wie:
"The owner of the lock". Als ich dann meinte, dass wir
teilweise Probleme hätten, ihn zu verstehen, meinte jemand nur:
"So we do!".
Wir schleusten aufwärts. In der Schleuse kam ein
riesiger Schwall Wasser eingeflossen und wirbelte herum. Wir hatten die
Schleuse gerade verlassen, da kam uns im recht engen Kanal ein etwas
größeres Boot entgegen. Man konnte den Gesichtern der Besatzung ansehen, dass sie
doch leichte Panik hatten, ob sie an uns vorbei passen würden. Wir warteten ab
und ließen sie zuerst in die Schleuse einfahren.
Das erste Stück des Camlin River war eine Durchfahrt durch einen
Baumtunnel. Dann änderte sich das Ufer und wir fuhren an Feldern und
Wiesen vorbei. Entgegen der Karte hatte der Fluss sehr viele Kurven und
Windungen. Man konnte nur sehr langsam durchfahren und das wurde dann
auch für's Schleppen auf Hecht genutzt. Aber mehr als jede Menge Gras
ließ sich nicht am Köder blicken. Also wurde diese Aktion wieder
eingestellt. Dann trafen wir unterhalb des Lough Forbes wieder auf den
Shannon. Selbst auf dem Fluss gab es, durch den heftigen Wind, Wellen
mit "Katzenköpfen". Am Ausgang des Sees sahen wir dann etwas
auf dem Wasser treiben. Bei näherem Hinsehen stellte es sich heraus,
dass es sich um eine Angelkiste handelte. Wir fuhren mehrere "Mann
über Bord"- Manöver und schafften es, die Kiste mit dem Kescher zu
bergen. Sie war schon sehr schwer, da sie sich fast vollkommen mit
Wasser gefüllt hatte. Bei der Weiterfahrt kam uns dann ein Privatboot
einer Familie mit zwei Kindern entgegen. Sie drehten immer wieder bei
und Wilhelm meinte: "Die suchen bestimmt die Kiste". Ich hielt
sie hoch und alle nickten begeistert. Der Junge hatte sie verloren und
nicht nur das, sie hatten auch noch eines ihrer zwei Beiboote im Schilf
treiben. Wir fuhren nahe an einander vorbei und ich reichte ihnen die
Angelkiste herüber. Der Junge war glücklich, seine Angelsachen wieder
zurück zu haben. Sie bedankten sich herzlich und machten sich dann auf,
ihr Beiboot aus dem Schilf zu retten.
In Roosky schleusten wir weiter flussauf und legten uns dann an
den mittleren der drei Anleger. Vor uns lag ein kleiner Daycruiser mit
jeder Menge Leute an Bord. Als dann der Regen wieder anfing verließen
sie den Steg. Wir zogen unser Boot nach vorne und wollten für die Nacht
bleiben. Einige Zeit später kam dann das Boot mit der irischen Familie
vorbei. Wir winkten zum Gruß und als sie uns erkannten hob Vater den
Daumen in die Höhe. Ihr Dinghy hatten sie auch wieder
eingefangen.
Beim Angeln fing Wilhelm hauptsächlich kleine Barsche und nach
dem (ungefähr) zwanzigsten hatte er keine Lust mehr. Wir beschlossen
ins Crews Inn zum Essen zu gehen. So hatten wir für heute eine saubere
Pantry und keine Arbeit mit Spülen.
Es kamen Massen von Booten in Roosky an, darunter auch viele
Privatboote. Deshalb entschlossen wir uns etwas früher in den Pub zu
gehen. Vorher wurden noch ein paar Kleinigkeiten im
Lebensmittelgeschäft gegenüber dem Crews Inn eingekauft. Dort wollten
wir auch einen Scheck einlösen, aber der Kassierer verstand nur
"Bahnhof". Nach etwa zehn Minuten gab er uns dann den Rat,
doch lieber den Scheck im Hotel auf der anderen Flussseite
einzutauschen, was ich dann auch tat. Für einen Scheck über 100 Pfund
erhielt ich dann 96 Pfund Bargeld. Kein schlechtes Geschäft für das
Hotel!
Da wir jetzt unseren Zigarettenvorrat aufgebraucht hatten, mussten
wir irische kaufen, was immer ein dickes Loch ins Portemonnaie riss.
Aber jetzt waren wir wieder "flüssig" und konnten beruhigt
zum Essen gehen. Im Crews Inn gab es dann Soup of the Day, Egg Mayonnaise
und Burger mit Chips. Hinterher hatten wir "Fresskatarrh".
Ohne Vorspeise wäre es auch noch reichlich gewesen. Aber man wird ja
nicht klug! Nach einem Paddy's Whiskey zum Abschluss machten wir uns
dann wieder auf den Weg zum Boot.
Wir hatten vorsichtshalber alles
verriegelt und verrammelt und sämtliche Lüftungen mit Papiertüchern
zugestopft. Aber mit den "Stinkern" hielt es sich in Grenzen.
Der Sandmann kam bei mir sehr früh und beim Angeln tat sich nicht mehr
viel. Nachdem das zweite Futterkörbchen versenkt war, hatte Wilhelm
keine Lust mehr und er kam auch ins Bett.
Montag, 07.06.1999 (Bankholiday)
Mit langem Schlafen ist es in Roosky
nichts. Sobald die Schleuse öffnet, brettern die ersten Boote vorbei,
ohne Rücksicht auf Verluste. Man fiel fast aus dem Bett von dem
Geschaukel, das die Wellen verursachten. Nach dem Kurzfrühstück fing
Wilhelm auf der Wiese noch ein paar Würmer und dann machten wir uns auf
in die Kilglass Seen.
Es war lausig kalt, obwohl zeitweise die Sonne
durchkam. Der Nordwind war, wie der Schleusenwärter aus Termonbarry
gesagt hatte, sehr frisch. Der Himmel zeigte wieder einmal ein
phantastisches Wolkenspiel. Es kamen uns im Carnadoe Lake schon eine
ganze Menge Boote entgegen, so dass wir die Hoffnung hatten, einen
Anlegeplatz zu finden. Diesmal wollten wir mal wieder nach Grange
fahren, wo wir das letzte Mal vor vierzehn Jahren waren. Uns überholte
eine große Tara, aber als sie die Einfahrt zum Anleger am Silver Eel
Pub sahen, verließ sie etwas der Mut. Wir fanden einen tollen Platz zum
Bankmooring. Wilhelm half den Leuten auf der Tara dann beim Anlegen.
Jetzt gab es erst einmal ein "Big Irish Breakfast". Es war
schon Mittag geworden und so wurde aus dem Breakfast ein Brunch. Nach
dem Essen spülten wir noch schnell und hatten dann Zeit zum gammeln.
Wilhelm ging mit seinen kompletten Angelsachen zum Fluss. Ich brachte ihm
ein Guinness und just ging ihm ein kleiner Hecht an die Wurmangel -
bekloppte Fische gab es hier. Das Wasser war so klar, dass man die
Barsche schwimmen sah. Wilhelm konnte regelrecht auf Sicht angeln. Die
Sonne entschied sich dann auch ein bisschen mehr zu scheinen und bald
wurde es richtig heiß. Sie brannte, obwohl es nur zwanzig Grad
"warm" war.
Uwe schickte eine SMS, in der er fragte, ob er uns am
Samstag vom Flughafen abholen sollte. Wir antworteten ihm: Gerne,
Ankunft 12:50 Uhr, EI694. Aber eigentlich wollten wir noch gar nicht an
die Heimreise denken!
Ich genoss die Sonne solange sie da war. Letzte Nacht war es so
kalt gewesen, dass ich in Leggins und Sweatshirt geschlafen habe. Meine
"Mini-Decke" reichte nicht aus, um sich komplett darin
einzurollen. Also zog ich mich nach dem "Zwiebelprinzip" an.
Wilhelm fuhr mit dem Dinghy in den Lough Grange, um doch noch den
einen oder anderen Hecht zu locken. Ich konnte den ganzen Nachmittag in
der Sonne sitzen und lesen. Nur ab und an zog eine Wolke vor die Sonne.
Hinter uns hatte eine irische Familie, mit fünf Kindern an Bord,
angelegt. Das Boot war recht klein und es war ein richtiges Gewusel an
Deck. Und was alles in dem Boot verstaut war: Tisch, Stühle, ein Grill
und das dazugehörige Grillgut. Es gab Sausages und Burger. Auch Oma und
Opa wurden mit versorgt. Platz ist sozusagen in der kleinsten Hütte.
Gleich wird Wilhelm wohl von seinem Angelausflug zurück kommen -
Hunger und Durst werden ihn zum Boot zurücktreiben. Bei uns gibt's
heute Lammkotelett mit Corn-on-the-Cob und Kartoffeln. Vielleicht gibt
es ja morgen Hecht - die zwei von heute Mittag waren etwas zu klein.
Die Sonne hielt sich bis zum Abend und es war ein schöner, klarer
Tag mit herrlicher Sicht gewesen. Am späteren Abend kam noch eine
Shannon-Star an. Anstatt das Boot vom Außensteuerstand aus zu lenken,
mussten die drei Mitfahrer den Steuermann durch Zurufe dirigieren. Warum
einfach, wenn's auch umständlich geht.
Nach dem Essen gingen wir noch in den Silver Eel Pub, direkt am
Hafenbecken gelegen. Es standen eine Menge Autos auf dem Parkplatz und
drinnen war es dem entsprechend voll. Viele Jungendliche sahen sich auf
einer Leinwand ein Gaelic Football Spiel an. Leere Chipstüten, Nüsse
und Dosen lagen in Massen rum. Die Stimmung war groß. Anscheinend hatte
die Mannschaft der Jungs gewonnen; der Pokal stand mitten im Saal. Für
das zweite Bier gingen wir dann in die Lounge nebenan. Dort saßen ein
paar junge Leute beim Bier. Wir bekamen ein Körbchen mit Sandwiches und
Würstchen hin gestellt. Da wir ja schon gegessen hatten, aßen wir nur
einen Anstandshappen.
Wieder einmal waren uns die Zigaretten ausgegangen. Also machte Wilhelm
sich auf, Geld zu wechseln, um am Automaten welche zu ziehen. Der
funktionierte aber nicht richtig und so kam die Wirtin zu Hilfe. Sie
trat einmal kräftig gegen den Kasten und schon ging es wieder. So kamen
wir dann doch noch zu unseren Glimmstängeln. Wir tranken aus und gingen
dann zum Boot zurück.
Bei der irischen Familie waren die Kinder zum Schlafen
"ausgelagert" worden. Sie hatten sich auf der Wiese ein Zelt
aufgebaut und huschten dann mit der Taschenlampe zum Schlafen. Es war
inzwischen wieder empfindlich kalt geworden, nur ca. 6°C, und wir
mussten die Heizung anschmeißen. Aber die funktionierte ja, Gott sei
Dank, sehr gut. Nach einer Runde Backgammon legten wir uns dann auch hin
und schliefen.
Dienstag, 08.06.1999
Trotz einiger Wolken kam die Sonne schon
gut durch und als ich aufstand, saß Wilhelm schon im T-Shirt an Deck.
Nach Kaffee und Cornflakes rollte er den langen Schlauch, der auch
tatsächlich bis zum Boot reichte, aus, um Wasser nachzutanken. Der
Schlauch war aus mehreren zusammengefügt und hatte an den Nahtstellen
auch ein paar kleinere Lecks. Aber wir kriegten den Tank recht schnell
voll.
Kurz nach dem Ablegen meinte Wilhelm dann, dass sich die Schraube
nicht mehr richtig dreht. Nach ein paar Manövern hin und zurück ging's
dann wieder. Wir nahmen an, dass sich beim Ablegen etwas Gras und Schilf
in der Schraube verfangen hatte.
Auf dem See wurde dann eine Ehrenrunde gedreht - natürlich zum
Schleppen auf Hecht. Aber wie schon so oft: Satz mit X, wahr wohl nix.
Dann steuerten wir den Anleger im Lough Kilglass an. Den Steg hatten wir
gar nicht so kurz in Erinnerung. Es lagen eine Lake Star und ein kleines
Carrick-Boot dort und wir hatten keinen Platz mehr. So beschlossen wir
unsere nächste Premiere: der Mountain-River sollte erkundet werden.
Angeblich gab es dort Gelegenheiten Bankmooring zu machen. Der Fluss war
sehr schmal und stark verkrautet. Auch die Ufer waren mit Schilf
übersäht. Da weiß man dann nicht wo man hinspringt und unversehens
steht man bis zu den Oberschenkeln im Uferschlamm. Also keine Chance
anzulegen. Wir drehten bei und versuchten es noch mal am Anleger. Aber
es war kein Platz frei geworden. Im Carrigeen-Cut, zwischen Lough
Kilglass und Lough Carnadoe, fanden wir dann eine schöne
Anlegemöglichkeit in einer kleinen Bucht an einer Kuhwiese.
Praktischerweise gab es auch schon einen Holzpflock in der Erde, an dem
wir dann festmachen konnten. Es war eine sehr schöne Anlegestelle und
wir freuten uns über den Platz in der Natur. Im Geiste hatten wir uns
schon an der Brücke in Carnadoe liegen sehen für die Nacht. Aber hier
ist es viel toller.
Nach dem Essen mit überbackenem Toast, Ei und
Broten meinte Wilhelm, er könne sich jetzt umfallen lassen, so müde
sei er. Was hinderte uns eigentlich daran? Also ging ich ins Bett und
Wilhelm machte es sich auf der Couch bequem. Es war so angenehm ruhig,
dass wir fast zwei Stunden tief und fest schliefen. Das einzig laute
Geräusch machte unser Kühlschrank.
Beim Vorbeifahren eines Bootes wurde ich dann wach. Ich bereitete
für morgen unser Gulasch vor und spülte schnell.
Die Sonne war angenehm warm, wobei es letzte Nacht nur 3°C
gewesen waren. Wenn's so weiter geht, bekommen wir hier im Juni noch
Bodenfrost. Die Kinder hatten letzte Nacht im Zelt bestimmt ordentlich
gefroren.
Heute Abend gab es die Barschfilets in Weißwein-Sahne-Soße mit
Kartoffeln und Salat. Die Krönung des Abends war ein herrlicher
Sonnenuntergang. Was wir uns über Tag wünschten, einen klaren Himmel
ohne Wolken, sahen wir meist erst gegen Abend.
In dieser himmlischen Ruhe werden wir mit Sicherheit herrlich
schlafen.
Mittwoch, 09.06.1999
Wenn nicht gegen neun Uhr ein Dinghy
vorbei gefahren wäre, hätten wir bestimmt noch länger geschlafen. Der
Himmel war trüb und wolkig, aber dafür war es nicht so kalt. Beim
Ablegen ging dann der "Drizzle" los. Frühstücken wollten wir
in Drumsna nach dem Einkauf. Uns waren nämlich die Rashers ausgegangen.
Der Anleger in Drumsna war fast leer und so legten wir am Ende des
Steges an. Im Hafenbecken, unserem bevorzugten Anlegeplatz in Drumsna,
lagen drei Privatboote und deshalb war für uns kein Platz mehr. Wir gingen
in den Ort zum Supermarkt und kauften zum letzten Mal für dieses Jahr
für unser "Full Irish Breakfast" ein. Da es wieder fast
Mittag war, gab es erneut 2 in 1 (Brunch).
Über Nacht hatten sich viele Eintagsfliegen auf unser Deck
verirrt, denen Wilhelm nach dem Essen mit dem Schlauch zu Leibe rückte.
Mein Großreinemachen innen vertage ich auf Freitag. Dann lohnt es sich
wenigstens richtig.
Da die Sonne sich nicht blicken lassen wollte, machte ich etwas
"Augenpflege" während Wilhelm vom Ufer aus angelte. Heute
Abend sollte es im Pub Musik geben und mit meinem Mittagsschlaf war ich
dann hoffentlich etwas fitter. Unser Essen für heute Abend war ja schon
vorbereitet, also konnte ich mich ruhigen Gewissens schlafen legen.
Als ich aufwachte, war der Steg gut gefüllt und ein paar
Optimisten kamen noch nach acht Uhr an. Nach dem Essen spülten wir
schnell und machten uns gegen neun Uhr auf den Weg zum Pub. Hier hatte
sich einiges getan. Es war komplett neu renoviert worden und alle Möbel
waren erneuert. An den Wänden hingen Plakate mit der Aufschrift:
"Happy 50th Anniversary, Marie". Aber viel los war noch nicht.
Wir hatten die Hoffnung auf Musik schon fast aufgegeben, als sich die
Tür öffnete und Gitarren, Verstärker und Boxen herein getragen
wurden. Wir hätten es besser wissen sollen, in Irland beginnt die Musik
immer erst recht spät, so zwischen halb zehn und zehn Uhr. Die Musiker,
zwei Männer und eine Frau, bauten ihr Equipment auf und begannen mit
den ersten Stücken. Die Frau hatte eine herrliche Stimme, wirkte aber
äußerlich etwas burschikos mit Armeehose , Holzfällerhemd und dicken
Boots.
Nach und nach trafen immer mehr Gäste ein, die anscheinend zur
Geburtstagsfeier von Marie kamen. Es wurden Sandwichplatten und die
Geschenke mitgebracht. Nur das Geburtstagskind war noch nicht da. Am
Nebentisch saßen ein paar Leute, die aussahen, als wären sie aus den
Sixties übrig geblieben oder aus dem Künstlermilieu. Die Frauen trugen
indische Batikblusen und -röcke und Jesuslatschen; die Männer mit
lichtem Haar vorne und Pferdeschwanz hinten.
Inzwischen hatte sich der Pub gut mit Geburtstagsgästen und
Touristen gefüllt. Dann kam auch endlich Marie und es wurde ihr ein
Ständchen gesungen. Sie erhielt jede Menge Geschenke und
Glückwunschkarten. Ein Freund von ihr übermittelte ihr
Geburtstagsgrüße u.a. auch von ihren drei Kindern aus Los Angeles und
einer Tochter aus Dublin. Die amerikanischen Kinder würden sie zu
Weihnachten besuchen kommen. Es war richtig rührend. Die Katzenmotive,
die wir überall gesehen hatten, erklärten sich jetzt auch: Marie setzte
sich nämlich für verwilderte oder entlaufene Katzen ein. Zur Feier des
Tages wurde eine kleine Tombola veranstaltet, deren Erlös der
Katzenhilfe zugedacht war. Wir kauften natürlich auch ein paar Lose.
Dann wurden die mitgebrachten Sandwichplatten aufgeteilt, und auch die
Touristen bekamen einen Teller hingestellt, obwohl wir gar nicht zur
Gesellschaft gehörten. Es wurde kein Unterschied gemacht.
Die drei Musiker machten moderne und traditionelle Musik. Das
Mädel hatte eine gute Stimme und ihr Flötespiel war
hervorragend. Sie hatte eine ganze Sammlung davon mitgebracht. Und
auch Mary Black hatte sie drauf.
Bevor die Verlosung begann, wurden die Preise aufgebaut - einer
"hübscher" als der andere. Für den Hauptgewinn, eine
Tischlampe, musste ich die Glücksfee spielen. Dann ging's weiter. Wir
gewannen eine Flasche Wein. Es hätte auch schlimmer kommen können,
denn es wurde auch Hunde- und Katzenfutter verlost. Eigentlich hätte
der Pub längst geschlossen sein müssen, aber um ein Uhr waren immer
noch alle zugegen. Jetzt wurde auch noch getanzt. Ein Pärchen tanzte
Rock 'n' Roll und Marie musste mit ihrem Mann tanzen - allerdings etwas
langsameres. Kurz danach machte die Musik aber doch Schluss. Alle
standen auf und die Nationalhymne wurde gesungen. Immer wieder
ergreifend.
Wir tranken noch aus und gingen dann beseelt zum Boot
zurück. Dort wurde der CD-Player noch mal angeschmissen und nach ein
paar irischen Liedern gingen wir dann schlafen. Vorsichtshalber stellten
wir uns den Wecker auf halb neun, damit wir nicht zu spät starteten.
Donnerstag, 10.06.1999
Den Wecker hätten wir heute morgen erschlagen
können! Doch kurz darauf wären wir wahrscheinlich sowie so von ein
paar Anglern, die auf dem Parkplatz am Steg ihre Angelutensilien
auspackten, geweckt worden. Wir machten uns startklar und tranken
unterwegs einen Kaffee. Als wir an den Anglern vorbei fuhren und das Gas
zurücknahmen, wurde uns freundlich zu gewunken. Weil Wilhelm selbst
schon mal im Dinghy Erfahrungen mit einem Vollgas fahrenden Boot gemacht
hat, nahm er sehr viel Rücksicht auf Angler und am Steg liegende Boote.
Dies wurde uns mit Freundlichkeit gedankt.
Die Albert Lock stand offen, so dass wir direkt einfahren konnten.
Wir machten an Steuerbord fest, genau an der Unglücksstelle von 1984.
Hinter uns kam dann noch ein großes Boot der Emerald Star Line
eingefahren und die Schleusentore schlossen sich. Der Schleusenwärter
war wohl auch etwas zu früh aufgestanden und machte wie immer einen
"mutzigen" Eindruck. Da er mittlerweile alles automatisiert
bekommen hatte -Schleusentore und Sluices wurden hydraulisch betätigt-
saß er auf einem Barhocker vor seinem Bedienpult. Die Arbeit, die er
jetzt weniger hatte, hätte er ruhig in ein Lächeln umsetzen können.
Na ja, was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden - irgendwann.
Der Strudel der oberen Sluices war wieder recht heftig und das
flaue Gefühl im Magen kam bei mir wieder auf. Aber wir kriegten alles
gut geregelt und legten wieder ab. Auf der ganzen Strecke nach
Carrick-on-Shannon gähnten wir um die Wette. Ein bisschen mehr Schlaf
letzte Nacht hätte bestimmt nicht geschadet. Aber so hatten wir einen
Grund, ein ausgiebiges Mittagschläfchen einzulegen. Vorher wollte
Wilhelm aber noch ein paar Maden zum Angeln besorgen. Während er weg
war, füllte ich den Wassertank wieder auf. Dabei fiel mir -plumps- der
Unterfangkescher von Wilhelm ins Wasser. Er sank so schnell, dass ich
keine Chance hatte, ihn mit dem Enterhaken raus zu fischen. Als Wilhelm
wieder zurück war, nahm er sich eine seiner zahlreichen Angeln und versuchte
den Kescher mit einem Blinker vom Grund zu holen. Obwohl er nicht bis
zum Flussgrund sehen konnte, hatte er Glück und erwischte den Kescher
auf Anhieb.
Wir legten wieder ab und machten uns auf den Weg nach Leitrim
Village. Da wir noch recht früh dran waren, hatten wir Glück und
fanden an dem alten Anleger Platz. Jetzt gab es erst einmal ein
ausgiebiges Frühstück. Und dann war Siesta angesagt. Wir fielen wie
tot ins Bett, aber bis wir zum schlafen kamen, verging doch noch eine
Weile. Erst klapperte die Toilettentür, dann rutschte eine der Angeln
auf dem Dach hin und her und auf der naheliegenden Straße war es auch
recht laut. Wir schliefen aber dann doch ein und nach zwei Stunden wurde
ich vom Motorengeräusch eines Bootes geweckt. Wilhelm war schon dabei,
einer irischen Familie beim Anlegen zu helfen. Eigentlich wollten sie
nach dem Einkaufen weiterfahren, aber der Anlasser des Bootes streikte.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen den Motor zum Laufen zu bringen,
blieb ihnen nichts anderes übrig, als einen Mechaniker der Emerald zu
bestellen. Der tauchte dann auch schnell auf, da die Autostrecke
zwischen Carrick und Leitrim nicht sehr weit ist. Nach dem Austausch des
Anlassers konnte die Familie dann ihren Weg fortsetzen.
Abends riefen wir zuhause an, um Wilhelms Schwester zu bitten, uns
für zuhause ein paar Lebensmittel einzukaufen. Das Ende unseres Urlaubs
rückt leider immer näher.
Freitag, 11.06.1999
Unser letzter Tag auf dem Boot. Nach einer Tasse Kaffee -Hunger
hatten wir noch keinen- legten wir ab und fuhren wieder zurück nach
Carrick-on-Shannon.
Da wir keine große Eile hatten, schleppte Wilhelm noch etwas auf
Hechte. Und siehe da, es biss auch mal einer an. Der hatte aber wohl nur
gebissen, weil er wusste, dass er nicht in der Pfanne landen würde. Wir
hatten nämlich für unseren letzten Abend andere Pläne. Das
Abschiedsessen gab's immer im Restaurant, damit die Kombüse sauber
bleibt. So wurde er nur fotografiert und dann wohlbehalten ins Wasser
zurück gesetzt.
In Carrick wurden dann die Abschlussformalitäten erledigt:
Tanken, Boot schrubben und aufräumen. Da die Sonne es wieder gut mit
uns meinte und wir nichts mehr zu trinken an Bord hatten, machte sich
Wilhelm auf, in der Stadt noch etwas zu besorgen. Neben dem Supermarkt
entdeckte er einen schönen Pub mit Restaurant, den wir zuvor noch nicht
besucht hatten. Er trank ein Guinness und reservierte uns für heute Abend
einen Tisch.
Das Kofferpacken wurde recht zügig erledigt. Wie sage ich immer:
Bei der Rückkehr braucht man sich ja nicht zu entscheiden, was
eingepackt werden soll - es muss einfach alles in die Koffer!
Wir genossen noch den Nachmittag in der Sonne und machten uns dann
auf den Weg zum Dinner. Das Lokal war sehr schön eingerichtet und
gegessen wurde auf der ersten Etage. Die Speisekarte war recht
umfangreich und wir fanden auch für jeden das Richtige. Nach einem
abschließenden Kaffee machten wir uns auf den Weg zurück zum Boot.
Für morgen ist früh aufstehen angesagt, da wir um zehn Uhr schon am
Flughafen in Dublin sein müssen.
Samstag, 12.06.1999
Der Wecker klingelte um halb sechs. Für uns, nach diesen schönen
Wochen fast ohne früh aufstehen, eine unchristliche Zeit. Die letzten
Sachen wurden zusammengepackt, eine Tasse Kaffee getrunken und schon
stand der Transferbus vor der Marina.
Auf dem Weg nach Dublin fielen uns noch das eine oder andere Mal
die Augen zu. Aber an festes Schlafen war, aufgrund des Schaukelns des
Busses, nicht zu denken. Man kam sich teilweise vor wie auf dem Fluss.
Am Flughafen tranken wir uns noch ein letztes Guinness und dann
wurde auch unsere Maschine schon aufgerufen.
Es war, wieder einmal, ein herrlicher Urlaub. Wir hatten wieder
viel Neues gesehen und auch neue Strecken auf dem Fluss befahren.
Wir freuen uns schon auf das nächste Mal.
05.06. - 12.06. vorherige Woche
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Musik
mit freundlicher Genehmigung von
Dreiklang!
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